TAGEBUCH

Wolfgang Herzberg in Eisleben.

RÜCKSCHAU: WOLFGANG HERZBERG GAST DES SYNAGOGENVEREINS

Der Freiberufler und Publizist Wolfgang Herzberg war am 9. Februar 2023 Gast des Synagogenvereins Eisleben und der Initiative „Glück Auf-Wohin“ im Kultursprudel in Eisleben. Es war die zweite Buchlesung, die auch durch den Verein organisiert wurde. Am vergangenen Donnerstag war Frau Luo Lingyuan, eine Deutsche, die in China aufgewachsen ist und Anfang der 90-er Jahre nach Deutschland kam, an gleicher Stelle.

Wolfgang Herzberg hat 2022 sein jüngstes Buch veröffentlicht, das er seiner persönlichen Entwicklung und der seiner jüdischen Herkunft und seinem erzogenen Linksein gewidmet hat. So hat er seine Eltern, die sich Ende der 50er Jahre scheiden ließen, Auskunft über ihre Biografie und ihre politischen und gesellschaftlichen Ansichten gegeben. Vater und Mutter stammen aus einem, zu damaliger Zeit, nach dem 1. Weltkrieg, typischen jüdischen Elternhäusern: Jüdische und deutsch-patriotisch eingestellt. Hier wuchsen beide in der Großstadt Berlin auf. In der Zeit des Nationalsozialismus veränderte sich das Leben der beiden Familien radikal, wie für alle jüdischen Deutschen. So ging es darum, wie kann man überleben?

Seine Eltern haben den Vater Hans in ein Auswanderercamp in Großbeeren gegeben, und so ist er 17-jährig mit einem Jugendtransport nach England gekommen. Dort hat er Kontakt zu linken Juden geknüpft, die ihn betreuten und so kam er mit dem Marxismus erstmalig in Kontakt, den er sein Leben lang verinnerlichte.

Seine Mutter Ursula floh im Mai 1939 nach England und ihr Onkel hatte die 3000 Pfund hinterlegen können, die man zur Einreise brauchte. Sie kam genau wie ihr späterer Mann, in Kontakt mit Leuten, die links-marxistisch waren und in England die „Freie Deutsche Jugend“ gebildet hatten. Es existierten Zirkel, die verschiedene Aktionen veranstalteten und dort lernten sich die beiden kennen und lieben. Am 24. März 1944 ist der Autor Wolfgang Herzberg in Leicester geboren worden, elf Monate nach der Hochzeit von Vater Hans und Mutter Ursula.

1947 ist die Familie Herzberg nach Deutschland zurückgekehrt. Viele Familienangehörige waren umgebracht worden, aber die Eltern von Hans waren noch aus Deutschland geflohen und in Kuba gelandet.

Die Familie Herzberg siedelte sich endlich im Osten von Berlin an und hatte auch Kontakt zu der neu entstandenen SED, deren Mitglied sie wurden. Ursula wurde auf Lehrgänge für Justiz geschickt und wurde eine der jüngsten Staatsanwälte der jetzt entstanden DDR. 

Der Nachwuchs mit Wera, der Tochter (1954) und Andrä (1957) stellte die Familie vor neue Probleme aus denen dann die Scheidung der Eltern 1960 resultierte.Alle Kinder hatten ein gute Schulausbildung, Abitur und Studium, aber die Wege gingen zum Teil auseinander. Wolfgang studierte nach dem Abitur Kulturwissenschaften, Wera wurde Schauspielerin und Regisseurin, Andrä schlug die Entwicklung als Rockmusiker ein. 

Wolfgang Herzberg arbeitete dann als Publizist und interviewte Mensch der DDR und begründete schon frühzeitig das Prinzip der „oral history“. So ist auch ein Großteil dieses Buches entstanden. Hinzu kommen auch Untersuchungen der verschiedenen Wertesysteme, psychologische Besonderheiten jüdischer Familien und ähnliches. Ein Buch, dass große Akribie erfordert, eine fleißige Arbeit mit gründlicher Recherche ist so entstanden. Für interessierte Leser ein Muss.

Rüdiger Seidel