Es ist ein denkwürdiger Tag in der Geschichte der Eisleber jüdischen Gemeinde. Freitag, der 30. August des Jahres 1850, am Abend wird Shabbat gefeiert, wird die Synagoge in Eisleben geweiht.
Zum einen hat es 1847 gesetzliche Bestimmungen in Preußen gegeben, die Eisleben zu einer zentralen Gemeinde von Juden aus der Umgegung machte. Damit stieg ist die Mitgliederzahl von 40 Mitgliedern auf 120. Ab dieser Zeit zählten die Juden aus den Orten Sangerhausen, Schraplau, Gerbstedt, Hettstedt, Leimbach, Mansfeld usw. zur Jüdischen Gemeinde Eisleben. Der Stadtbaumeister Fiedler wurde 1849 beauftragt, die Synagoge umzubauen.
Zum anderen hatte die Eisleber Synagogengemeinde schon immer vor, ihre Synagoge zu vergrößern. Mit dem Umbau entstand im Obergeschoss der neue Synagogensaal. In einer Quelle aus dem Jahre 1843 wird deutlich, dass die Gemeínde über die notwendigen Utensilien wie Gesetzesrollen, ein Bad (Mikwa) und andere Utensilien für den Gottesdienst besaß.
Unter Anwesenheit der städtischen und kirchlichen Honoratoren und des Oberrabinners aus Magdeburg Dr. Ludwig Philippson wurde dieser Akt vorgenommen. Die Rede von Dr. Philippson liegt uns vor und beinhaltet die Worte:
„Aber gerade in dieser Zeit, wo die Religion endlich äußere Freiheit errungen zu haben scheint, wo, wie es scheint, Gewissenszwang geschwunden, jetzt, wo die Schranken, die zwischen Menschen und Menschen aus dem Glauben sich erhoben, immer mehr fallen, jetzt erst ist es schwerer, dieses einfache Zeugniß zu wahren hüben und drüben, vor der Beengung von hie und vor der Auflösung von da. Habet also jetzt aufgerichtet den Stein zur hohen Säule, und das Oel der Weihe darauf gegossen und es Beth=El, „Haus Gottes“ genannt- nun so rufen diese Steine Euch zu: lasset Euer Zeugniß uns hören für und für, das Zeugniß vom einigen Gotte, Schöpfer des Himmels und der Erden, der den Menschengeist in seinem Ebenbilde zur Erkenntnis, zur Liebe, also auch zur Unsterblichkeit geschaffen- wie freu‘ ich mich dieses Gottes!“
Dem Charakter der Gemeinde, eine reformierte Gemeinde zu sein, hatte auch eine gewisse Sonderbarkeit in der Einweihung dieses Gotteshauses, denn der evangelische Chor der Seminaristen unter Leitung von dem christlichen Organisten Franz Gustav Klauer sang kirchliche und jüdische Lieder. Ein Zeichen von gegenseitiger Akzeptanz zwischen den Glaubensrichtungen in dieser Zeit.
Das Eisleber Tageblatt schreib dazu:
„Heute fand die Einweihungsfeier der neuen Synagoge hier statt. Die hiesige israelitische Gemeinde, 120 Seelen stark, mußte sich bisher mit einem ganz gewöhnlichen Lokale für die Gottesverehrung bescheiden. Wollte man aber auch von der Einfachheit absehen, so gebot die Rücksicht auf Räumlichkeit eine Veränderung. Es sei beiläufig bemerkt, daß die israelitische Gemeinde vor vierzig Jahren vierzig Seelen zählte, sich in vierzig Jahren also um achtzig Köpfe vermehrt hat. Zu Anfang dieses Jahres schritt man daher zum Abbruch des früher zu Tempel und Schule genutzten Hauses und erbaute mit einem Kostenaufwand von 2000 Thalern die jetzigen Räume, die allen Ansprüchen des Geschmacks und der Würde eines Gotteshauses, soweit die Größe des Hauses und das Bedürfnis der Gemeinde sie stellen lassen, vollkommen genügen. Die Feier begann 3 Uhr nachmittags. Der Hauptteil der ganzen Feier war die nun folgende Predigt in deutscher Sprache des Rabbiners Herrn Dr. Philippson aus Magdeburg. Die Musik zu den Gesängen ist von Herrn Organist Klauer für diese Feier eigens componieret und wurde unter seiner Leitung von hiesigen Seminaristen vorgetragen.”
Der Kantor der Gemeinde Moritz Meyer rezitierte dann die notwendigen Gebete und die Feierstunde klang mit einem Empfang in der unteren Etage aus.
Heute bemühen sich die Eisleber um die Restauration des ehemaligen jüdischen Gotteshauses. Ein kleiner Verein versucht über Fördermittel das Haus wieder her zu stellen. Kleine Erfolge sind bereits zu sehen. Auch zwei jüdischen Friedhöfe, einen alten von 1809 bis 1876 in der Nähe des Turnplatzes in der Oberstadt und einen neuen von 1876 bis 1938 neben dem chrístlichen neuen Friedhof, gehören zum Pflegeumfang des Vereins. Gleichermaßen versuchen wir die Geschichte der Juden in Eisleben zu erforschen. So gibt es einen mittelalterlichen Entwicklungstrang vom 13. Bis zum 16. Jahrhundert und eine neuzeitliche Entwicklung vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Shoa 1942.
Rüdiger Seidel
Vorsitzender