TAGEBUCH

Das Wohn- und Geschäftshaus der Familie Heilbrun, in dem Marianne und Martha geboren und aufgewachsen sind.

STOLPERSTEINE FÜR MARIANNE UND MARTHA HEILBRUN

MEMORANDUM ZUR VERLEGUNG DER STOLPERSTEINE

für Marianne und Martha Heilbrun vor ihrem Wohn- und Geburtsort, am Schlossplatz 2 in Eisleben.

Lutherstadt Eisleben, den 09. November 2016

 

Am Mittwoch, den 09. November 2016, werden für Marianne und Martha Heilbrun die Stolpersteine vor ihrem Wohn- und Geburtsort, dem Haus Schlossplatz 2, in Eisleben, verlegt.

Die Familie Heilbrun hatte dort ein Haus und Grundstück erworben. Der Stolperstein wird gespendet durch die Wohnungsbaugesellschaft mbH Eisleben.

Das Wohn- und Geschäftshaus der Familie Heilbrun, in dem Marianne und Martha geboren und aufgewachsen sind.

Wir wollen Sie auf diese Weise ehren und Ihnen ein gesellschaftliches Gedächtnis geben.

Martha Heilbrun wurde am 6. September 1873 in Eisleben geboren. Ihre Eltern waren Gustav und Rosalin Heilbrun, geborene Hahn. Gustav wurde am 28. Januar 1832 in Eisleben, ihre Mutter wurde am 2. Februar 1839 in Wegeleben (Harz) geboren. Sie starb am 11. Nov 1913, im Alter von 74 Jahren und wurde, wie ihr Mann, der am 24. Juli 1905 gestorben ist, in Eisleben

auf dem Neuen Jüdischen Friedhof begraben.

 

Im Adressbuch der Stadt Eisleben ist Gustav Heilbrun 1901 als Bankier und Rentier mit der Adresse Schlossplatz 2 eingetragen. Im Eisleber Tageblatt, Nr. 281, 1885, stand:
„Heute eröffnen wir hier Schlossgartenstraße unter der Firma Gottschalk & Heilbrun ein Bank- und Wechselgeschäft und empfehlen uns zu An- und Verkauf von Wertpapieren, Gewährung von Darlehen, Annahme von Depositionen sowie alle zum Bankfach gehörigen Geschäfte.
W. Gottschalk, G. Heilbrun.“

 

Martha Heilbrun ist neben ihren Brüdern  Ernst Heilbrun, der in Nordhausen geboren wurde und Paul Heilbrun, der im Jahre 1869 in Eisleben zur Welt kam, das dritte Kind der Eheleute Gustav und Rosalie Heilbrun.

Der Auszug aus dem Geburtenregister für Juden:

Laut Verhandlung vom 14. Juni 1867 (Fol.124act.J.G.) ist die Ehefrau des inländischen jüdischen Kaufmanns Gustav Heilbrun zu Eisleben, Rosalie, geborene Hahn am zwölften Juni Eintausenachthundert sieben und sechszig (1867) früh fünf Uhr von einem Sohn entbunden worden, welcher den Vornamen „Ernst“ führen soll.“

Eisleben, den vierzehnten Juni Eintausendachthundert sieben und sechszig.

Laut Anzeige vom 9. Oktober 1873 der Generalactus ist die Ehefrau des deutschen Reichsangehörigen jüdischen Kaufmanns Gustav Heilbrun von hier, Rosalie, geborene Hahn, hierselbst am 6. (sechsten) September 1973 ( Eintausendachthundert drei und siebzig) früh 4 ½  (vierein halb) Uhr von einem Mädchen entbunden worden, welche den Vornamen, Martha, erhalten hat.

MARTHA HEILBRUN

Sie war verheiratet mit Dr. med. Oskar Salomon, geb. 1863 in Halle an der Saale. Er war ab dem Jahre 1908 Spezialarzt für Haut- und Harnkrankheiten in Gera und  hatte seine Wohnung und Praxis in der Adelheidstrasse 12. Martha hatte einen Sohn, Hans Salomon, geb. am 17. April 1898 in Geringswalde. Er war Absolvent des Gymnasiums Rutheneum im Jahre 1916 und meldete sich freiwillig zur Armee. Er wurde am 22. März 1932 zum Amtsgerichtsrat berufen und seine Entlassung aus dem juristischen Dienst am 31. Dezember 1935 befohlen. 1938 wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt kehrte später aus Buchenwald zurück und wählte gemeinsam mit seinen Eltern am 18. September 1941 den Freitod.

 

Die Eheleute Salomon, Oskar und Martha, nahmen sich am 18. September 1941 zusammen mit  dem Sohn Dr. Hans Salomon, der Richter gewesen war, das Leben. In einem Abschiedsbrief verwies Oskar Salomon auf die Verordnung zum Tragen des „Judensterns“ als letztem Anlass für die Tat:

 

„(…) sie kennen die neuen Verordnungen, die über uns verhängt worden sind: es geht über unsere Kraft, sie zu ertragen; wir wollen und können die Entehrung, die uns durch den Zwang einen handtellergroßen gelben Stern auf der linken Brustseite zu tragen auferlegt worden ist, nicht auf uns nehmen, ohne uns selbst verachten zu müssen. Wir scheiden aus dieser Welt in dem Bewußtsein jahrelang erduldet zu haben, was fast unerträglich war, aber Alles hat seine Grenzen. Wir scheiden aber auch in dem festen Bewußtsein erfüllter Pflichten von Mensch zu Mensch und in jedem andern Sinne.“

Der Grabstein von Dr. Oscar Salomon und seine Frau Martha Salomon auf dem Friedhof in Gera

Die Familie wurde auf dem evangelischen Ost-Friedhof in Gera beerdigt, da sie vor langen Jahren bereits konvertiert war. Auch der zweite Sohn Fritz Salomon nahm sich das Leben; er soll in die Ostsee hinausgeschwommen sein, bis ihn die Kräfte verließen.

MARIANNE HEILBRUN

Sie wurde am 2. Mai 1903 in Eisleben als Tochter von Ernst und Margarete (Grete) Heilbrun geboren. Sie hatte noch einen älteren Bruder, Karl Ernst “Charles E. Heilbrun, der am 1. April 1901, ebenfalls in Eisleben geboren wurde. Er starb nach seiner Emigration 1938 in die USA, am 2. August 1971, in San Francisco, USA. Marianne Heilbrun war verheiratet mit Werner Goldner, der am 13. Dezember 1902 in  Berlin geboren wurde und von Beruf Journalist war. Beide hatten im Jahre 1938 geheiratet und lebten in Nordhausen.

Beide wurden in der Zeit der Shoa am 17. November 1941 in das Getto Kowno deportiert und sind am 25. November 1941 dort umgekommen. Ein Brief von ihr nach den Bestimmungen zur Führung eines Zusatznamens für Juden nach 1938 an das Eisleber Standesamt.

Aus dem Adressbuch der Stadt Eisleben aus dem Jahre 1892.

An ein dunkles Kapitel der litauischen Geschichte erinnert die Gedenkstätte im IX. Fort am nördlichen Stadtrand, wo während der deutschen Besatzung ungefähr 18.500 bis 50.000 jüdische Menschen aus Litauen und ganz Europa ermordet wurden (siehe Abschnitt ‚Neuzeit‘). Die Ausstellung im Fort befasst sich jedoch nicht nur mit den Vorgängen in Kaunas, sondern hat auch die Ermordung der jüdischen Bevölkerung in ganz Litauen zum Thema. Sofort nach Einmarsch der Wehrmacht kam es zu von den deutschen Behörden geförderten Massenmorden an Juden auf offener Straße. Alsbald wurde die jüdische Bevölkerung in das neugeschaffene Ghetto Slobodkaauf der anderen Seite der Neris (heute: Stadtteil Vilijampole) gepfercht und sukzessive in dem nahe gelegenen Fort IX. (heute Gedenkstätte) ermordet oder in andere Konzentrationslager deportiert.

Das Getto von Kaunas, wo viele Juden zusammen gepfercht wurden und durch Erschießungen getötet wurden.

Wir gedenken Ihrer Person und Ihrem Schicksal und wollen mit diesem Stolperstein, sie in unserem  Gedächtnis behalten.


Rüdiger Seidel