TAGEBUCH

Der neunte, zehnte und elfte Stolperstein für Eisleben: Lina Mendelsohn, geb. Plaut Hans Mendelsohn Gerhard Mendelsohn

STOLPERSTEINE FÜR DIE FAMILIE MENDELSOHN

Am Dienstag, dem 9. November 2010,  wurden für Hans Joachim Mendelsohn und seine Frau Lina, geb. Plaut, sowie für ihren Sohn Gerhard die Stolpersteine vor ihrem letzten freiwilligen Wohnort am Markt 47 in Eisleben verlegt. Die Eltern von Hans Mendelsohn hatten im Erdgeschoss des Hauses ein Posamenten- und Wollwarengeschäft gehabt und darüber gewohnt.

Die vorangegangen Stolpersteine für die Familie Mosbach und die Familie Bratel hatten wir ausgewählt, weil es uns gelungen war, Angehörige der Opfer zu der Verlegung einzuladen. Dies ist heute nicht der Fall. Mit diesen Stolpersteinen möchten wir insbesondere an das jüngste Holocaustopfer aus Eisleben erinnern, den sechsjährigen Gerhard Mendelsohn. Das Datum haben wir gewählt, um an die November-Pogrome von 1938 zu erinnern.

 

Die Stolpersteine für Hans und Lina wurden gespendet durch Herrn Dr. Rost und seinem Sohn, dem Pfarrer Konstantin Rost. Der Stein für den kleinen Gerhard wurde durch die drei christlichen Kindergärten in Eisleben, dem evangelischen, dem katholischen und dem Montessori-Kindergarten, gespendet.

 

Die Recherchen, welche Rüdiger Seidel und Sebastian Funk vom Förderverein Synagoge Eisleben nun schon seit Jahren durchführten, haben auch zur Lokalisation der Geschichte der Familie Hans Joachim und Lina Mendelsohn und deren Sohn Gerhard geführt. Hans Joachim wurde 1896 in Weißenfels geboren und hat das Textilgeschäft des Vaters in den 20er Jahren übernommen. Seine Frau Lina (Jhrg. 1900) geb. Plaut stammte aus Frankfurt am Main. Sohn Gerhard wurde am 7.9.1935 in Eisleben geboren. Die Familie wohnte und betrieb das Geschäft am Markt 47, der heutigen Thalia-Buchhandlung. Nach der Machtübernahme der Nazis und den sich verschärfenden Pogromen versuchte die Familie nochmals in der Heimat von Lina Mendelsohn zur Ruhe zu kommen; wurde aber später in das Ghetto von Minsk deportiert und kam dort ums Leben. Gerhard war gerade einmal 7 Jahre geworden.

 

Dies Tatsache war Anlass, dass der Synagogenverein Kontakt zu den christlichen Kindergärten der Stadt aufnahm und gemeinsam mit den Erzieherinnen und den Eltern ein Projekt entwickelte, wie es gelingen könnte, den älteren Kindern diesen Teil der deutschen Geschichte nahe zu bringen.

 

Dazu fand im August des Jahres in der Kloster-Kita Montessorie-Kinderhaus ein Projekttag statt, unter- stützt durch den Synagogenverein aus Halle. Jüdisches Leben und diese Religion standen im Mittelpunkt. Im Nachgang hatten sich Eltern und Erzieherinnen bereiterklärt für den Stolperstein, als Erinnerung an den kleinen Gerhard, zu sammeln.

 

Am 9. November 2010 waren die Kinder des evangelischen Kindergartens der Stadt, der katholischen Kindertagesstätte St. Gertrud und aus Helfta gekommen, um zu sehen, was es nun mit den Stolpersteinen auf sich hat. Sie waren gut vorbereitet und unterstützten mit Ihren Liedern das Projekt. Tage zuvor hatten sie sowie der Synagogenverein in Zusammenarbeit mit der Thalia-Buchhandlung ein Schaufenster thematisch gestaltet und somit die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf diesen Tag gerichtet. Ganz spannend wurde es für die Kleinen als Rene Wunderlich von der Eislebener Feuerwehr die Gedenksteine einbetonierte. Alle mussten einmal liebevoll über die glänzende Platte streichen. DIe Stolpersteine für Gerhards Eltern spendeten Dr. Joachim Rost und Sohn Konstantin aus Eisleben. Nicht nur der Vereinsvorsitzende Rüdiger Seidel, sondern auch Oberbürgermeisterin Jutta Fischer dankten allen Anwesenden und Sponsoren und riefen dazu auf, diese Projekt auch weiterhin zu unterstützen, denn es gibt in der Lutherstadt und der Region noch viele Zeugnisse jüdischen Lebens, die niemals vergessen werden dürfen.

 

Im Anschluss fand noch das traditionelle Gedenken an die Pogromnacht in der Andreaskirche statt, welches in Abstimmung zwischen den Geistlichen beider Konfessionen gestaltet wurde. Pfarrer Michel Schwenke und Ge- meindereferentin Constance Fritsch hatten mit einer Religionsgruppe, gemeinsam mit der evangelischen Pfarrerin Iris Hellmich vor dem Altar einen Davidsstern aus Teelichtern gestaltet, bevor die Gedenkstunde begann. Zum Abschluss wurde der von der katholischen Kindertagesstätte gestaltete Kranz wieder an der Andreaskirche angebracht.

 

Am Abend zuvor, hatte der niederländische Künstler Robert Kreis unter dem Titel „Vereht, verfolgt, vergessen“ ein beeindruckendes Konzert in der Landesbühne gegeben. Künstler im deutschsprachigen Raum bestimmten in den 20er /30er Jahren maßgeblich die Kulturszene in Europa und besonders in Deutschland mit, bis sie von den Nazis als entartet verboten und mitunter auch ermordet wurden. Für die BesucherInnen war diese musikalische Zeitreise nicht nur ein Genuss, sondern auch ein Lehrstück in Geschichte.

 

Alle Projekte wurden gefördert durch das Bundesprogramm „Vielfalt tut gut“ im Rahmen des Lokalen Aktions- planes Mansfeld-Südharz; initiiert durch die Eislebener Arbeitsgruppe des Bündnisses.

 

Wir bedanken uns herzlich

bei den Stiftern für Ihre Spende,

bei den Kindern für die vorgetragenen Lieder,

bei den Erzieherinnen für das Einbeziehen des Themas in das pädagogische Programm und für die Vorbereitung,

bei der Thalia-Buchhandlung, die uns ein Schaufenster für unsere Ausstellung zur Verfügung stellte und heute Ihre Auslagen für uns verkleinerte,

bei unserer Bürgermeisterin Frau Jutta Fischer für die Zeit, die sie sich genommen hat und für ihre Rede,

bei der Stadt Eisleben für die wohlwollende Unterstützung,

bei Punktum-Fernsehen, dem MDR und der Mitteldeutschen Zeitung für das entgegengebrachte Interesse

bei den Pfarrerinnen und und Pfarrern, denn zusammen konnten wir die Stolperstein-Verlegung und den ökumenischen Gottesdienst miteinander verbinden.

bei Frau Maria Hahn für die Koordination.

bei Herrn René Wunderlich, der zum dritten Mal die Steine für uns eingebaut hat.

 

Maria Hahn

 

Memorandum.