TAGEBUCH

Robert Kreis auf der Landesbühne in Eisleben.

ROBERT KREIS: KLEINKUNST, DIE GANZ GROSS WAR

Hinreißender Kabarettabend mit  Entertainer Robert Kreis


Ein bewegender und mitreißender Solo-Kabarettabend erinnerte am Montagabend im Foyer der Landesbühne Sachsen-Anhalt an die Großen der Kleinkunst vergangener Zeiten:  an jüdische Künstler der 20er und 30er Jahre. Einst als grandiose Texter, Sänger, Schauspieler, Komponisten und Conferenciers gefeiert und hofiert, mussten sie vor den Nationalsozialisten ins Ausland fliehen oder fielen in Deutschland den Machenschaften der Nazis zum Opfer.

Zu diesem besonderen Abend hatte der Förderverein der Eisleber Synagoge und der „Lokale Aktionsplan“ eingeladen.


Als Interpret stand kein Geringer als der international bekannte Kabarettist, Parodist und Entertainer Robert Kreis auf der Bühne. Kreis, 1949 auf der Südseeinsel Java geboren, in den Niederlanden aufgewachsen und im Besitz der niederländischen  Staatsbürgerschaft, lebt heute in Berlin. Nur mit einem  Klavier und einem Notenpult stand er auf dem Bühnenpodium und schaute erwartungsvoll ins Publikum, das ihn mit herzlichem Beifall begrüßte.

Der Zuschauerraum war bis auf den letzten Platz gefüllt. Erstaunlich, und das an einem Montagabend in Eisleben! Ein Grund war sicher, dass die, die kamen, Kreis von  früheren Gastspielen in Eisleben her kannten und um seine Kunst und Gabe wussten: Kleines groß und Großes klein darzustellen. Und wie er das machte,  das saß, das passte und regte zum Nachdenken und Überdenken an.


Robert Kreis hatte für sich für seinen Kabarettabend an Titel und Inhalt an das 2005 von Ulrich Liebe veröffentlichte Buch „Verehrt, verfolgt vergessen“ angelehnt. Er verlas Textstellen aus dem Buch und untermauerte diese mit Lied- und Coupletpassagen, die aus der Feder jüdischer Komponisten und deren Interpreten stammten. So entstand ein Repertiore, das das Können jüdischer Künstler widerspiegelte und Robert Kreis mit seiner unerschöpflichen Vielfalt und facettenreichen Interpretationskunst die glaubwürdige und überzeugende  Chance gab, diesen deutsch-jüdischen Unterhaltungskünstlern in der heutigen Zeit ein Denk-Mal-Nach Zeichen der besonderen Art zu setzen.


Kreuz und quer, mit vielen Episoden und Geschichten gespickt, lernten die aufmerksamen und zutiefst mitgehenden Zuschauer Biografien und  Kunstschaffen solcher Unterhaltungskünstler wie Kurt Gerron, Paul Montis, Alice Dorelli oder Willy Rosen kennen.

Los ging es mit dem bekannten Brecht-Weill-Song aus der „Dreigroschenoper“. „Und derrr Haifisch derrr hat Zäääähne und die trrrägt er im Gesicht. Ein Flop werdend, war es  der  jüdische Sänger Kurt Gerron, der ab 1928 Oper und Songs durch  Stimme und Textverzerrung zu Weltrum verhalf. Er wurde  1940 in Auschwitz ermordet. Mit dem spritzig-witzigen Lied  vom „Nachtgespenst“, das für Gerron geschrieben wurde, setzte Kreis mit seiner unnachahmlichen Mimik, Gestik und seinem einfallsreichen  Klavierspiel diesem Mimen eine besondere Hommage. Verruchtheit, Zynismus, Nachkriegs- und Wirtschaftskrisen-Elend konnte wohl nicht besser persifliert werden als mit Franz Grubers Lied von “Fürstin Pieps von Piepsenstein“, die jedes Jahr einen neuen kleinen aus Steuern zu ernährenden Blaublüter zur Welt bringt und erst nach der Ermordung des Kammerdieners dieser Baby-Spuk endlich aufhört. Oh, nein, sage niemand etwas über die bessere feine Gesellschaft und ihre Manieren, so Kreis´  Kommentar.


Zweideutig, aber nicht unter die Gürtellinie gehend, bejubelten die Zuschauer Kreis´ Sprachfeuerwerk auch bei der Interpretation des sprichwörtlichen Humors der Juden  u. a. auch mit Siegfried Arnos Lied  „Ach Trude, ach Trudelchen, was macht dein kleines Pudelchen“. „Entklemmt Euch, rief Kreis munter ins  Publikum“, das sich vor Lachen nicht wieder einkriegte.

Mit nuschelndem Liedgesang kam auch Willy Rosen zu ehren, dessen bekanntes Couplet „Miese Zeiten, überall wohin man schaut, Pleiten“ zu Ehren. Dass Kreis zeitaktuelle Bezüge  von Merkl bis Schröder und Co mit diesem Lied verbannt, nahm das dankbare Publikum schmunzelnd zur Kenntnis.


Otto Reuters bekanntes und immer wieder gern gehörtes Lied „ Der Blusenkauf“ brachte das Publikum noch einmal durch Kreis´ einmalige schrullige und pointierte Sprachkomik mit nicht enden wollendem Beifall in Wallung und erklatschte sich mehrere Zugaben.


Ernst, wie begonnen, beendete Kreis seinen Kabarettabend mit dem letzten Satz aus Liebes Buch mit dem Wortzitat: Nicht anklagen sondern sich erneuern“.


Gefragt, wie es ihm in der Lutherstadt gefallen hat, seine klare Ansage: „Ich hatte heute einen fröhlichen Abend mit Euch. Kein aufgesetztes Lachen, die Eisleber haben ehrlich und intelligent an den Stellen mir Beifall gegeben, wo er hingehört. Das hat mich motiviert, ich war auch ein bisschen verrückt,  es war prima bei Euch, ich komme 2011 wieder“.


Gudrun Riedel