TAGEBUCH

Frau Rolly Rosen aus Israel übermittelte uns diese Rede zur Stolpersteinverlegung für ihren Großonkel.

RÜCKBLICK: STOLPERSTEIN FÜR SIEGFRIED ROSENTHAL

Liebe Mitglieder des Eisleber Synagogenvereins, liebe Eisleber Einwohner und liebe Gäste der Stolperstein-Zeremonie.

 

Mein Name ist Rolly Rosen, ich bin die Enkelin von Willy Rosenthal, der vor genau 130 Jahren in Eisleben geboren wurde. Es ist beinah 2 Jahre her, seitdem wir sie in Eisleben besucht haben, und die Stolpersteine für meinen Großvater Willy, für seinen Bruder Erich und für dessen Frau Flori gelegt haben. Und heute sind Sie da, um noch einen Sein für einen anderen Bruder von ihm, Siegfried Rosenthal, zu legen. obwohl ich leider nicht persönlich da sein kann, möchte ich ihnen für ihre Mühe herzlich danken. Dass sie sich an die vergessenen Eisleber Bürger erinnern, finde ich überhaupt nicht selbstverständlich. Wir schätzen es wirklich sehr.

 

Bis zu unserem Besuch in Eisleben wusste ich kaum von Siegfrieds Existenz. Ich ahnte, natürlich, dass mein Großvater Geschwister hatte, wusste aber nicht wie sie alle hießen, und was ihr genaues Schicksal während des Holocaust war. Durch die beeindruckende Arbeit ihres Vereins habe ich viel dazu gelernt – zum Beispiel über die Geschichte meines Urgroßvaters Gabriel Rosenthal, der nach Eisleben kam und hier ein Geschäft gründete, über seine frau Berta und alle ihre Kinder, die – wie auch mein Großvater Willy – im ersten Weltkrieg in der kaiserlichen Armee gedient hat. Auch über Siegfried, sein Geschäft am wichtigsten Ort von Eisleben, dem Markt, und sein trauriges Schicksal, habe ich gelernt. Wie alle anderer Geschwister meines Großvaters überlebte auch er nicht.

 

Als wir im Sommer 2017 in Eisleben waren, kam einer von ihnen – ich weiß nicht wer es war – und gab mir, überraschender Weise, einen Kleiderbügel, auf dem der Name Siegfried Rosenthal stand. bevor ich mich bedanken konnte, verschwand der mann – und so ist es mir ein Rätsel geblieben. Wie kam dieser Aufhänger zurück zu mir? Hat der Großvater dieses Mannes einen Mantel bei meinem Großonkel vor 80 Jahren oder so gekauft? Blieb dann der Kleiderbügel im Familienschrank einfach so hängen – durch die Naziherrschaft, den Krieg, die sowjetische Besatzung und die DDR-Zeit – bis der Mann von der Stolpersteinverlegung für die Familie Rosenthal in der Zeitung las und sich dann entschied, uns den Bügel zurückzugeben? Der Mantel existiert sicher nicht mehr, auch der Käufer – wie der Verkäufer – ist sicher längst nicht mehr am Leben. Der Kleiderbügel aber doch – als Erinnerung an die Juden, die früher in dieser Stadt gelebt haben, sich als Deutsche sahen, aber dann in so schrecklicher Weise ausgeschlossen und ermordet wurden.

 

Dass sie heute hier stehen sehe ich als eine Aussage – ein Versprechen, dass das, was Siegfried und den anderen Rosenthal Geschwistern damals geschah, nicht wieder geschehen darf.

 

Ich danke ihnen – und besonders Herrn Seidel und den anderen Mitgliedern des Eisleber Synagogenvereins – für ihre Arbeit, und dafür, dass sie heute zu dieser Zeremonie gekommen sind. Ich schicke ihnen herzliche Grüße aus Israel, und hoffe auf ein Wiedersehen.

 

Rolly Rosen