TAGEBUCH

Der Bratschist Prof. Ulrich von Wrochem in der Eisleber Synagoge.

RÜCKBLICK: KONZERT IN DER SYNAGOGE

Der in der Fachwelt bekannte Bratschist Prof. Ulrich von Wrochem weilte am Dienstag auf Einladung des Synagogenvereins in Eisleben und gab ein Konzert jüdischer Komponisten. Von Wrochem studierte bei Heinz Kirchner, Helmut Heller und George Neikrug in Berlin und Detmold. Seine Laufbahn führte ihn seit 1966 bis in die Position des Solobratschisten bei der Berliner Oper, dem Bayerischen Rundfunk und der Mailänder Scala. Er gab Meisterkurse in Deutschland, Österreich, Russland, Ägypten, Syrien, Brasilien, China, dem Iran, Korea und den USA. 

Er der aus einem sehr alten oberschlesischen und in der Gegenwart ein sehr musikalische Adelsgeschlecht stammt hat sich der klassischen Musik verschrieben  und ist freiberuflich tätig.

In Eisleben hatte er vorwiegend moderne Komponisten im Programm. So zeichnete er mit Sarah Nemtsow ein Bild jüdischer moderner Musik verbunden mit den jüdischen Traditonen in dem Stück „Niggun (jiddisch: Nign). Diese Musik  ist ein hebräischer Ausdruck für Melodie. Niggunim sind weitestgehend Improvisationen, obwohl sie auf einem Thema basieren können und in der Form stilisiert sind. Niggunim können sowohl als Klagegebet gesungen werden als auch einen fröhlichen Charakter haben. Das Klagende wurde sehr deutlich vorgeführt. Weiter interpretierte v. Wrochem im Stück Kol Nidre, von dem jüdischen Musiker Aaron Beer, die Situation eines Abendgebetes am Versöhnungstages (hebr. Jom Kippur) gesprochen wird. Nach dieser Erklärung wird häufig das gesamte Abendgebet an Jom Kippur benannt. Die Suite von schweiz-amerikaner Ernest Bloch schloss sich an und erklärte da wurden die diffizilen Techniken von Staccato und der messa e voce-Technik des anschwellendes Bogenstrichs deutlich. Ungarische jüdische Komponisten schossen sich an und beendeten das Konzert zur 170. Wiederkehr der Weihe der Eisleber Synagoge.

Görgy Kurtag wurde sehr interpretatorisch gespielt, so dass die Zuschauer sehr gebannt waren. Eine Variation eines Stückes „Präludium“ von Gideon Klein beschloss dieses Konzert und nahm die Zuschauer mitten in die Erklärung ein. Der Bratschist spielte zwei Variationen die Eine am Ende einmal abrupt endete und die andere mit ein paar Takten „ausgespielt“  wurde. Herr v. Wrochen fragte die Zuhörer nach der für sie besseren Variante und die Mehrheit war sonderbarer Weise für die letztere Interpretation, denn der Komponist konnte sein Werk nicht vollenden, da er zur Deportation abgeholt wurde und er starb am 27. Januar 1945 im KZ.

Vielen Dank Herrn v. Wrochem und dem Publikum für diese schöne Veranstaltung.

Rüdiger Seidel