Dr. Stefan Oehmig (Leipzig) hielt am 12. November auf Schloss Mansfeld im Rahmen der Tagung „Caspar Güttel und die Reformation im Mansfelder Land“ den Vortrag:
„Caspar Güttels Haltung zu den Juden. Beobachtungen anhand seiner Judenschrift “
Zu Beginn des interessanten und anregenden Vortrags wies der Referent darauf hin, dass der reformatorische Prediger Caspar Güttel in Eisleben auf ein vergleichsweise ausgeprägtes jüdisches Leben traf, was ihn von den meisten Reformatoren seiner Zeit unterschieden haben dürfte. Vor diesem Hintergrund verfasste er 1527 seine etwa 40 Blatt zählende Judenschrift, in späterer Zeit auch Judenbüchlein oder Unterrede-Büchlein, Judendialog oder kurz Dialogus genannt.
Der Dialog findet zwischen einem Christen und einem Juden statt, die sich über ihren Glauben und die Bedeutung Jesu Christi kontrovers unterhalten. Das Gespräch gewinnt im Verlauf aber zunehmend an Verbindlichkeit, was auch die Anreden „mein lieber Jude“ oder „lieber Christ“ zeigen. Der jüdische Vertreter übt eingangs Kritik an der zeitgenössischen Hetze gegen seinesgleichen und erfährt dabei auch des Christen Zustimmung, der sich von solch dummer Polemik ausdrücklich distanziert. Im Laufe der theologischen Argumentation lässt sich der Jude schließlich durch die – an alttestamentarischen Zeugnissen orientierte – Beweisführung des Christen überzeugen und sagt eine eingehende Beschäftigung mit der für ihn bislang fremden Lehre des Christentums zu.
Der Referent machte klar, dass Güttels Judenbüchlein viele Gemeinsamkeiten mit Martin Luthers früherer Schrift hatte, in welcher er – voller Hoffnung, die Juden ließen sich in nennenswerter Zahl missionieren – ebenso wie später Güttel freundlich und respektvoll über sie geschrieben hatte. (Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei, 1523).
Wahrscheinlich war Martin Luther bereits gegen Ende der 20er Jahre von seiner freundlichen Haltung gegenüber den Juden abgekommen: Seine Enttäuschung über die nicht glückende Missionierung führte in späteren Schriften Luthers dann ja zu schlimmer Verbitterung und Hetze gegen die Juden. Hätte Caspar Güttel seine eigene Schrift einige Jahre früher verfasst und herausgegeben, so hätte er vermutlich noch Luthers Unterstützung (um die er sich vergeblich bemüht hatte) und somit wohl auch weitere Verbreitung (und Wirkung?) für sein Judenbüchlein finden können, wie der Referent überzeugend schloss.
In der Diskussion, die sich an diesen lohnenden Vortrag anschloss, wurde unter anderem noch angemerkt, dass „jüdische“ Schriften allgemein meist nur wenige Interessenten fanden: Sogar die bedeutende Hebräische Grammatik (1506) des berühmten Humanisten Johannes Reuchlin (Philipp Melanchthons Großonkel) hatte sich in früheren Jahren nur recht schwer verkaufen lassen.
Peter Gummert