TAGEBUCH

Die Eisleber Familie Weissbrodt konnte am 29. April 1940 in Genua das Schiff nach New York besteigen.

FAMILIE WEISSBRODT KONNTE ENTKOMMEN

Am Karl-Rühlemann-Platz in Eisleben wohnte in den 1930er Jahren die Familie Weissbrodt. Sie waren Juden. Der Vater Jankel Weissbrodt war am 15. Mai 1900 in Lublin geboren worden. Er war Schneider und hatte 1930 in der Vicariatsgasse 3 sein Geschäft. Er war verheiratet mit Berta Heine, die am 3. Oktober 1905 in Grosspaschleben bei Köthen geboren worden war. Ihr Sohn Dieter wurde 1936 in Eisleben geboren. Die Ortspolizei in Eisleben bezeichnete Frau Weissbrodt 1939 als „deutschblütig mosaischen Glaubens“. Noch 1939 bezahlte Jankel seine Kirchensteuer an die jüdische Gemeinde: 12,- Reichsmarkt Kopfsteuer war wohl der Mindestbeitrag in dieser schweren Zeit. Als Adresse notierte Ludwig Königsberger, letzter Repräsentant der jüdischen Gemeinde, „Plan und 30. Jan.“. Demnach wohnte die Familie wohl noch am Rühlemannplatz, das Geschäft war jetzt am Plan.

Die Passagierliste der George-Washington vom 29. April 1940

Mit Hilfe der Passagierliste konnte jetzt das Schicksal der Familie aufgeklärt werden. Jankel, Berta und Dieter bestiegen am 29. April 1940 in Genua das amerikanische Passagierschiff „George-Washington“ und fuhren nach New York. Die Familie siedelte sich in Massachusetts, an der Ostküste der USA, an. Jankel Weissbrodt arbeitete weiter als Schneider und lebte bis 1965. Der Sohn Dieter ist heute 71 Jahre alt und erfreut sich bester Gesundheit, wie ich einem Telefonat entnehmen konnte. Nun warten wir gespannt auf eine Antwort auf unseren Brief.
 

Sebastian Funk