Dieter Weissbrodt wurde am 11. Februar 1936 in Eisleben geboren. Seine Eltern waren Jankel und Berta. Der Vater war Schneider, kam aus Lublin und hatte den Laden von Christian Hermann übernommen. Die Mutter kam aus Großpaschleben in Anhalt. Etwa 1935 mussten sie ihr Geschäft auf Druck der Nationalsozialisten aufgeben, verzogen zum Karl-Rühlemann-Platz und lebten zeitweise von der Wohlfahrtspflege. Da Berta keine gebürtige Jüdin war, drängten die Nationalsozialisten sie zur Scheidung. Aber die Weissbrodts hielten stand.
„Seine ganze Familie war schon nach Amerika ausgewandert, mein Vater war der letzte in Deutschland. Die Familie bestürmte ihn, endlich nachzukommen.“ Aber Jankel zögerte und hatte immer noch Hoffnung, sein Geschäft weiter zu führen. „Mein Vater erzählte mir ein paar Geschichten über die Nazis. Dann erlebte er eine abscheuliche Begebenheit mit den Nazis und entschied sich, das Land zu verlassen.“
Es war April 1940, als die Familie Weissbrodt Eisleben verließ und mit der Hilfe ihrer Verwandten nach Genua reiste, um sich auf der „George Washington“ nach New York einzuschiffen. Auf der Höhe von Gibraltar wurden sie von einem deutschen U-Boot aufgehalten, erreichten aber glücklich die freie Welt.
In New York hielten die Weissbrodts sich eine Zeitlang bei Verwandten auf, entschieden sich aber bald, nach Massachusetts zu ziehen, wo sie wieder einen Schneiderladen aufmachten. Jankel starb 1965 im Alter von 65 Jahren.
Immer und immer wieder war ich die Liste der Ortspolizei von 1939 über die Eisleber Juden durchgegangen und hatte nach dem Verbleib dieser Menschen gesucht. Im September 2008 schließlich fand ich Dieters Adresse in Massachusetts. Es stand auch seine Telefonnummer dabei, aber es brauchte eine Weile, bis ich genug Mut gesammelt hatte, um ihn anzurufen. Ich überprüfte schnell noch die Ortszeit und dann wählte ich. Es tutete ein paar mal, aber dann meldete sich Dieter Weissbrodt von der Liste der Ortspolizei von 1939 am anderen Ende der Leitung. Nach ein paar Augenblicken der Überraschung war er sehr freundlich zu mir und sagte mir, dass ihn dieser Kontakt wirklich freue. Wir vereinbarten, unsere Unterhaltung per Email weiter zuführen und so schrieb er mir die Geschichte seiner Familie.
Dieter war in Massachusetts geblieben, war verheiratet mit Mary und hatte mit ihr drei Kinder. In den 1950er Jahren diente er in der US-Army und war in Mainz stationiert gewesen. Nach dem Ende seiner Dienstzeit machte er sich als Versicherungskaufmann selbstständig. Zusammen mit Mary betrieb er sein Büro 2008 immer noch. Da war er 72 Jahre alt. Den Winter verbachten Dieter und Mary regelmäßig im warmen Florida.
Heute schrieb mir Mary, dass ihr Mann am 18. Januar gestorben sei:
„51 gewaltige Jahre, angefüllt mit Liebe für mich und meine Familie. Ich vermisse ihn so.“
Sebastian Funk
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