Unsere mit viel Aufwand erstellte Ausstellung kommt zurück nach Eisleben. Sie kann bis zum 15.11.2024 besichtigt werden. Dazu gibt es ein kleines Rahmenprogramm.
Öffnungszeiten der St. Andreaskirche:
Montag bis Samstag: 10.00 – 16.00 Uhr
Sonntag: 11.00 – 16.00 Uhr
Programm
09.11.2024
18:00
St. Andreaskirche
- Ökumenische Andacht zum Gedenken der Pogromnacht am 9. November 1938
- Lesung von Mitgliedern des Synagogenverein
15.11.2024
17:00
St. Andreaskirche
- Vortrag zur Goldenen-Rosen-Synagoge in Dnipropetrowsk, Ukraine.
Rede zur Ausstellungseröffnung
Einleitung
Am 18.10.2024 wurde die Ausstellung „Gemeinsam erinnern an das Jüdische Eisleben“ in der St. Andreaskirche in der Lutherstadt Eisleben vom Vorsitzenden des Vereins Eisleber Synagoge E.V., Bernd Gentkow, feierlich eröffnet, musikalisch begleitet von Michael Seemann, Lehrer der Musikschule Eisleben. Der Vereinsvorsitzende informierte die Gäste über die Arbeit des Vereins, insbesondere über die Rekonstruktion der ehemaligen Synagoge in der Lutherstraße 25, das aktuell wichtigste Projekt. Auch die nächsten Veranstaltungen im Rahmen dieser Ausstellung wurde verkündet. Die stellvertretende Vorsitzende des Vereins und Kuratorin der Ausstellung, Dr. Monika Juliane Gibas, führte das Publikum in die Ausstellung ein, die an das einstige jüdische Leben in Eisleben erinnert.
Bernd Gentkow
Sehr geehrte Gäste,
„Gemeinsam erinnern an das jüdische Eisleben“ ist das Motto dieser Ausstellung in der St. Andreaskirche in der Lutherstadt Eisleben.
Wir wollen uns gemeinsam daran erinnern, dass es in unserer Heimatstadt seit Beginn des 19. Jahrhunderts viele jüdische Familien gab. Sie haben hier gelebt, geliebt, haben sich eine eigene Synagoge geschaffen und waren in die Stadtgemeinschaft vielfältig eingebunden. Ihre Kinder sind hier geboren, sind hier zur Schule gegangen und sind viele Jahre ganz selbstverständlich mit anderen Eisleber Kindern aufgewachsen. Sie alle haben zum Wohnstand der alten Lutherstadt beigetragen. So konnte die Industrie- und Handelskammer Halle im Jahr 1931 der Kaufmannsfamilie Löwenstein, die schon 1806 aus Posen nach Eisleben übergesiedelt war, zum 125. Firmenjubiläum gratulieren.
Mit dieser Wanderausstellung haben wir uns vorgenommen, ganz besonders an diese Zeit zu erinnern, als es noch eine vom Großteil der Eisleber Bürgerschaft akzeptierte jüdische Gemeinde in unserer Stadt gab. Aber auch über schwierige Zeiten ihres Lebens erzählt diese Ausstellung. Denn über den langen Zeitraum der Existenz der Gemeinde von Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1938 gab es auch immer wieder, wie überall in Deutschland, antisemitische Anfeindungen. Dagegen vermochten sich Eisleber Juden noch lange erfolgreich zu wehren.
1892 verwahrten sich die Kaufleute Max Zweig und Walter Simon gegen einen Vortrag in der Gaststätte „Zur Grünen Tanne“ in Eisleben über angebliche Ritualmorde der Juden. Ein Zuhörer des Vortrags hatte behauptet, ihm sei als 16-Jähriger in Polen von Juden Blut abgezapft worden. Die beiden Eisleber Juden Max Zweig und Walther Simon widersprachen öffentlich. Am 9. Februar 1892 erschien ihre Gegendarstellung in der Eisleber Zeitung: Die Geschichte vom Blutabzapfen sei eine Lüge. Es sei »zu wiederholten Malen – auch von christlichen Autoritäten – bewiesen worden, daß ein ritueller Mord bei Juden nie vorgekommen ist.« Der Fall erregte landesweites Interesse. Am 10. Februar 1892 wurde die Gegenrede von der antisemitisch orientierten deutsch-nationalen „Berliner Staatsbürger-Zeitung“ als »Unverschämtheit und grobe Beleidigung« dargestellt. Die Zeitung forderte strafrechtliche Maßnahmen. Das angebliche »Blutopfer« stellte einen Antrag, gegen die beiden Kaufleute gerichtlich vorzugehen. Der Antrag wurde abgelehnt.
1921 wurde auch Jacob Goldstein zur Zielscheibe judenfeindlicher Gruppen in Eisleben. Mitglieder des »Deutsch-Völkischen Schutz und Trutzbundes« verleumdeten ihn als Unterstützer der »kommunistischen« Märzkämpfe, die ihren Ursprung im Mansfelder Land hatten. Goldstein wehrte sich mit Presseartikeln und mit einem Gerichtsverfahren gegen diese Gerüchte. Das Urteil fiel damals zu seinen Gunsten aus. Es wurde weit über Eisleben hinaus wahrgenommen.
1921 wurde auch Jacob Goldstein zur Zielscheibe judenfeindlicher Gruppen in Eisleben. Mitglieder des »Deutsch-Völkischen Schutz und Trutzbundes« verleumdeten ihn als Unterstützer der »kommunistischen« Märzkämpfe, die ihren Ursprung im Mansfelder Land hatten. Goldstein wehrte sich mit Presseartikeln und mit einem Gerichtsverfahren gegen diese Gerüchte. Das Urteil fiel damals zu seinen Gunsten aus. Es wurde weit über Eisleben hinaus wahrgenommen.
1931 strengte Jacob Benjamin Goldstein mit anderen jüdischen Kaufleuten erneut ein Gerichtsverfahren wegen antisemitischer Angriffe auf die Geschäftsleute in Eisleben an. Anlass war der Boykottaufruf des berüchtigten Kreisleiters der NSDAP, Ludolf von Alvensleben. Dieser forderte die Bürger am 5. Dezember 1931 im Kampfblatt der NSDAP „Der Mansfelder“ auf:
»Kauft nicht bei Juden, Waren- und Konsumvereinen, sondern unterstützt das deutsche Gewerbe.«
Auch dieses Verfahren gewannen Goldstein und seine Unterstützer. Die antisemitischen Angriffe gingen dennoch weiter. 1932 denunzierte ihn ein Eisleber Kaufmann bei der Industrie und Handelskammer in Halle. Jacob Goldstein hatte am Plan 9 am 1. November 1931 als Außenabteilung seines Kaufhauses ein Geschäft mit dem Namen »Epela« eröffnet. Der Vorwurf war Kundentäuschung, da die Bezeichnung »Epela« als »Einheitspreisgeschäft« verstanden werden könne. Die von Ludolf von Alvensleben gegründete »Arbeitsgemeinschaft Deutscher Geschäftsleute Eisleben« verklagte ihn am 1. März 1932. Das Verfahren wurde eingestellt. Gegen den auch in Eisleben erstarkenden Antisemitismus konnten die jüdischen Geschäftsinhaber nichts mehr ausrichten. Den Eisleber Juden war eine erfolgreiche Selbstverteidigung gegen antisemitische Angriffe und Verleumdungen nicht mehr möglich.
Denn mit dem Machtantritt des NS-Regimes im März 1933 begann die von der Regierung beauftragte systematische Verfolgung politischer Gegner vor allem aber der jüdischen Deutschen, die als Rassefremde aus der sogenannten „arischen“ Gesellschaft vertrieben werden sollten.
Als Ergebnis der Pogromnacht am 9. November 1938 und den weiteren Verfolgungen gibt es keine jüdische Gemeinde in Eisleben mehr. Ihre Mitglieder wurden ins Exil getrieben oder in der Shoa ermordet.
Vereinsmitglieder, vor allem unser langjähriger Vorstandsvorsitzender Rüdiger Seidel und der erste Architekt des Vereins, Sebastian Funk, haben über viele Jahre hinweg zu diesem Thema recherchiert und wichtige Erkenntnisse zum Leben und Wirken jüdischer Menschen in unserer Stadt Eisleben zutage gefördert.
Wir haben für diese Ausstellung acht Biografien jüdischer Familien aus Eisleben und zwei Biografien jüdischer Familien aus Sangerhausen ausgewählt. Sie stellen ihre Lebensgeschichten vor: Ihr Familienleben und ihr erfolgreiches Berufsleben in Eisleben und in Sangerhausen, vor allem als Kaufleute, wie die Familien Zweig, Rosenthal und Goldstein, oder auch als Rechtsanwälte und Notare, wie Dr. Ludwig Königsberger.
Aber auch über ihre Ausgrenzung aus der Stadtgemeinschaft, ihre Vertreibung ins Exil und über die Deportierten und Ermordeten der Eisleber und Sangerhäuser Juden informiert die Ausstellung. Sie soll dazu beitragen, über ehemals jüdisches Leben in unserer Stadt und der Region Mansfeld zu informieren und diesen Teil unserer Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Monika Gibas
Eine Antwort
Eine sehr informative, sorgfältig recherchierte und auf einer breiten Quellenbasis erstellte Ausstellung! Sie zeigt sehr bewegend, wie einst angesehene Eisleber Bürger drangsaliert, entrechtet und ermordet wurden und nur im Glücksfall emigrieren konnten. Mögen ihre Schicksale dank der großartigen Arbeit des Fördervereins unvergessen sein.