TAGEBUCH

Die Wohnungsbaugesellschaft der Lutherstadt Eisleben mbH ist eine Tochter der Lutherstadt Eisleben. Die Gesellschaft sitzt am Schlossplatz 2, dem ehemaligen Bankhaus der jüdischen Familie Heilbrun.

STADT WILL EHEMALIGE SYNAGOGE VERKAUFEN

Am 08. April 2009 schrieb uns der derzeitige Geschäftsführer der Eisleber Wohnungsbaugesellschaft, der Name ist der Redaktion bekannt, diesen unfreundlichen Brief, in dem angekündigt wird, die ehemalige Synagoge zu verkaufen. Anlass ist nach den Worten des Geschäftsführers die „Beschmierung“ der Synagoge vom März:


Sehr geehrter Herr Seidel,

Ihr Verein ist seit einigen Jahren Mieter des Hauses Lutherstraße 25. Wie bereits in unseren letzten Zusammentreffen bzw. meinem Schriftverkehr mehrfach dargelegt, bin ich mit der sich nunmehr eingebürgerten Verfahrensweise  -keinerlei Zahlung von Grundmiete und Nebenkosten- nicht einverstanden und werde dies in dieser Art zukünftig nicht mehr akzeptieren.

Neben der Ihnen bekannten Investition von ca. 187 T EUR bis 2006 gaben mir die jüngsten Vorkommnisse der Beschmierungen der Fassade (Kostenumfang von ca. 500 EUR), Anlass, mir noch einmal über die zukünftige weitere Verfahrensweise Gedanken zu machen.

Wie bereits in unserem Gespräch am 07.04.08 gemeinsam mit Frau Fischer deutlich zum Ausdruck gebracht, ist die Wohnungsbaugesellschaft nicht Willens und in der Lage, weitere Investitionen in der Lutherstraße 25 aus Mitteln der Gesellschaft zu tätigen. Auch das von Ihrem Architekten Herrn Funk übersandte Schreiben vom 04.02.09 wird hieran nichts ändern: seitens des Denkmalschutzes Herrn Büttner bestand keine Notwendigkeit, aufgrund des bekannten Zustandes eine nochmalige Vor-Ort-Begehung durchzuführen; ein von uns beauftragter Statiker hält die derzeit eingebaute Stützkonstruktion als Sicherungsmaßnahme für ausreichend geeignet.

Da die Straßenansicht ein ordentliches Bild vermittelt, ergibt sich damit für uns nach wie vor keinerlei dringende Notwendigkeit für weitere Ausgaben.

Aus vorgenannten Gründen unterbreite ich Ihnen hiermit folgendes Angebot:

Ich biete Ihnen bzw. Ihrem Verein das Objekt Lutherstraße 25 zu einem symbolischen Kaufpreis von 1 EUR an.

Damit würde sich für Sie Folgendes ergeben:

Sie erhielten das Objekt trotz der getätigten Investitionen nahezu kostenfrei Fördermittel könnten direkt über sie als Eigentümer beantragt werden  die Sanierung könnte direkt durch Ihren Architekten in der von Ihnen und ihm gewünschten Form umgesetzt werden  Investitionen könnten direkt durch Sie beauftragt, überwacht und abgerechnet werden.

Ich gebe Ihnen hiermit Gelegenheit, uns in einem Zeitraum von 6 Wochen Ihre Entscheidung mitzuteilen. Sollte ich bis zu diesem Zeitpunkt keine Nachricht von Ihnen erhalten bzw. Sie kein Interesse an einem Ankauf haben, haben Sie sicherlich Verständnis dafür, dass wir danach geeignete Schritte zur Beitreibung unserer Außenstände einleiten müssen.

Eine Kopie dieses Schreibens leite ich der Oberbürgermeisterin zu. In der Hoffnung auf eine kurzfristige positive Entscheidung verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen


(Der Name ist der Redaktion bekannt), Geschäftsführer


Zu diesem Schreiben selbst ist Folgende zu sagen:


  1. Herr Rüdiger Seidel hatte im Jahre 2001 die Stadt Eisleben darauf aufmerksam gemacht, dass die ehemalige Synagoge verkauft werden sollte. Seit der Enteignung im Jahre 1941 war das Haus in Privatbesitz und wurde als Wohnhaus genutzt. Zuletzt war es extrem heruntergekommen. Die Stadt nahm die Gelegenheit wahr, und ließ die ehemalige Synagoge durch ihre Wohnungsbaugesellschaft erwerben. Daraufhin gründete sich der Förderverein, um die Stadt bei der Beschaffung von Finanzmitteln und bei der konzeptionellen Arbeit zu unterstützen. Beides hat der Verein in der Vergangenheit regelmäßig erfüllt. Es wurden Spenden und Fördermittel in Höhe von ca. 75.000,- EUR beschafft. Von der Konzeptionellen Arbeit zeugt nicht zuletzt dieser Webauftritt und die vielen kulturellen Veranstaltungen. – In dem oben zitierten Brief werden Ross und Reiter offenbar vertauscht. Plötzlich soll der Verein nicht mehr Förderer und Helfer sein, sondern Alleinverantwortlicher. Die Stadt will sich vollkommen aus ihrer Verantwortung verabschieden.
  2. Im Jahr 2002 wurde ein Mietvertrag zwischen der Wohnungsbaugesellschaft und dem Förderverein geschlossen, indem die Nutzung der ehemaligen Synagoge für Ausstellungen u.ä.geregelt wurde. Das Haus hat weder einen Stromanschluss, noch einen Wasseranschluss noch eine Heizung. Es ist also eigentlich gar nicht nutzbar. Dennoch wurde eine symbolische Miete und die Übernahme der so genannten Betriebskosten vereinbart. Dazu wurde verabredet, dass Miete und Betriebskosten  durch Spendenquittungen abgegolten werden. Diese Praxis wurde bis jetzt so beibehalten.
  3. Die durch die Wohnungsbaugesellschaft beauftragte Statikerin Frau Dipl – Ing. Tamara Anders hat den Zustand des Hauses und der Einfriedungsmauer im Hof als einsturzgefährdet bezeichnet. Ein neuerlich berufener Statiker hat dem oben aufgeführten Brief zu folge an dem Zustand des Hauses nichts auszusetzen.
  4. Die in dem oben zitierten Brief aufgeführten Vorteile für den Verein, nach einem Erwerb, können wir nicht nachvollziehen:
  5. Die Form der Restaurierung ist durch die Auflagen des Denkmalschutzes von vornherein festgelegt. Wir sahen nie einen Anlass an diesen Vorgaben zu zweifeln.
  6. Die Fördermittel werden sowieso schon in den allermeisten Fällen durch den Verein beantragt. In den wenigen Fällen, bei denen die Wohnungsbaugesellschaft die Antragstellerin sein musste, hat der Verein die Anträge für die Wobau vorbereitet, so dass diese nur noch unterzeichnen musste.

Der Verein hat beschlossen, die Oberbürgermeisterin – auch in Ihrer Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzende der Wohnungsbaugesellschaft – um Hilfe und Moderation anzurufen.


Sebastian Funk


Der Artikel wurde am 16.11.2009 geändert.

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