TAGEBUCH

AMELIE FRIED

RÜCKBLICK: AMELIE FRIED IN EISLEBEN

Zu einer Autorenlesung hatte das „Lokale Bündnis für ein verantwortliches Miteinander des Landkreises“, dem auch der Förderverein angehört, Amelie Fried aus Oberbayern in die Lutherstadt eingeladen. Die Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin hat unlängst das Buch „Schuhhaus Pallas“ veröffentlicht, mit dessen Vorstellung sie sich in Begleitung ihres Mannes, Drehbuch-Autor Peter Probst, gegenwärtig auf einer deutschlandweiten Vorlesungsreise befindet.


„Gerade in die Zeitgeschichte und Ereignisse eingebettete Familientragödien sind es, die durch ihre menschlich nachvollziehbaren Geschichten eine starke und unberechenbare Wirkung haben und so exemplarisch auch den Umgang der Nationalsozialisten mit den Juden dokumentieren“ – so Amelie Frieds Berufung, sich über 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Holocausts diesem Thema der Aufarbeitung und notwendigen Verarbeitung in den Familien zu stellen und das Schweigen über diese Zeit auch im privaten Bereich aufzubrechen.

Am Schicksal ihres jüdischen Großvaters Franz Fried und seiner deutschen Frau Martha, Besitzer eines der größten Schuhhäuser, des „Schuhpalastes“ in Ulm, berichtet sie, wie er sich den Nazis gegenüber mit ihren Demütigungen und Schikanen zur Wehr setzte.


Der Überlebenswille gegen menschenfeindliche nationalsozialistische Machenschaften und der Neid deutscher Konkurrenten führte nicht nur zur Namensänderung seines Schuhimperiums von „Schuhpalast“ zu „Schuhpallas“, sondern auch zur Pro-Forma-Scheidung von seiner deutschen Frau und der Auswanderung aus Deutschland. Nach seiner Rückkehr sei das Zusammenleben der beiden allerdings freudlos gewesen.


Beider Sohn Kurt Fried (1906 geboren), Publizist und Vater der heutigen Autorin Amelie Fried, war als so genannter jüdischer Mischling ersten Grades Förderer der Kultur der Juden. Er liebte und diente aber Deutschland und konnte dennoch nicht verhindern, dass er 1944 ins Zwangsarbeitslager Leimbach, einem Außenlager des KZ Buchenwald, deportiert wurde und im „Freiesleben Schacht“ arbeitete, um dort eine unterirdische Halle für die Rüstungsproduktion der Mansfeld AG mit aufzubauen.


Fried darf als Halbjude im April 1945 Leimbach verlassen. Er übersiedelt letztendlich wieder nach Ulm, wo er in dritter Ehe Inge Ruthardt heiratet, die heute noch lebende siebzigjährige Mutter der Autorin. Unter der Fremdheit und Verschlossenheit zum Vater habe Tochter Amelie gelitten, keinen Zugang zu seiner Vergangenheit herstellen zu können. „Heute, nach den zeitaktuellen Untersuchungen habe ich so viel über sein persönliches Schicksal und ihm zugefügtes Leid erfahren, dass ich sein Sich- nicht-äußern-können verstehen kann, weil er auch nach dem Krieg über diese Zeit nicht und zu niemandem sprach. Wir hätten reden müssen, Erlittenes nicht weg schweigen, wir taten es nicht“, so die Autorin.


Bei ihrer Lesung erfuhr Frau Fried, dass in der Lutherstadt vor den ehemaligen Wohnhäusern der Eisleber Juden Königsberger, die in Konzentrationslagern umgekommen sind, 2008 drei „Stolpersteine“  auf Initiative des Fördervereins als Erinnerungssteine installiert wurden Sie erklärte, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann die Finanzierung des nächsten Stolpersteins für die Familie Brathel 2010 übernehmen werde.


Gudrun Riedel


Am Tag nach der Lesung führte der Vereinsvorsitzende Rüdiger Seidel Amelie Fried und Peter Probst durch Eisleben und wies auch auf die Spuren jüdischen Lebens hin.

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