TAGEBUCH

Gedenkstein für polnische Zwangsarbeiter auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Eisleben.

POLNISCHE ZWANGSARBEITER AUF DEM JÜDISCHEN FRIEDHOF

Seit dem 24. Juni 1945 sind hier auf dem Neuen Jüdischen Friedhof 19 polnische katholische Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge begraben. Die faschistische Politik und deren Rassenwahn haben diese noch jungen polnischen Bürger ins Mansfeldische gebracht. Sie haben im Schacht bei der Mansfeld-AG, auf den Feldern der Großbauern und im Stollen des KZ Wansleben gearbeitet.

Die Arbeit war schwer und die Lebensbedingungen völlig unzureichend. So gibt es die Totenscheine der hier Liegenden, die von mysteriösen Todesursachen berichten:

Der polnische Arbeiter Johann Klich, der am 15. Juni 1913 in Oltzysz geboren wurde, soll sich einen, wortwörtlich, „komplizierten Schädelbruch beim Latrinenbesuch“ zugezogen haben. Wir können das nicht glauben. Er wurde erschlagen. Das Stadtkrankenhaus in Eisleben hat dabei geholfen, die Sterbeurkunde zu fälschen und es als Latrinenunfall aussehen zu lassen.

Weitere Dokumente geben Auskunft über die Todesursachen. So tauchen sehr oft Mittelohr- und Lungenentzündungen auf, und das lässt vermuten, dass hier schematisch die eigentlichen Ursachen vertuscht worden sind.

Zwei der hier liegenden Opfer sind an Blinddarmentzündung gestorben. Viele der Opfer sind laut Totenschein an „Lungentuberkulose“, „Mittelohrentzündung“ oder wie bei Leon Kacziek an „Urämie bei bestehender Schrumpfniere“, so die Auskunft des Stadtkrankenhauses Eisleben, gestorben. Diese Krankheiten führen entweder nicht zum Tod oder sie sind Begleiterscheinung von Entbehrung, hinsichtlich der Nahrung oder Ergebnis von Misshandlungen.

Die Zwangsarbeiter haben in Augsdorf, Unterrißdorf, Alberstedt, in Eisleben, Niederschmon, Seeburg, Salzmünde, Gatterstädt, Wolferode, Freyburg, Neehausen und Unterröblingen am See gearbeitet.

Die Polin Luczina Borowiecka starb im KZ Buchenwald, Außenstelle Wansleben, und ihr werden „schwere Weichteilverletzungen des Rücken“ attestiert. Ins verständliche übersetzt: Sie wurde zu Tode geprügelt.

Ihnen gilt heute nach 76 Jahren unser Gedächtnis und unsere Trauer. Wir, das deutsche Volk, müssen solchen Geschehnissen gedenken und uns diese Erinnerung deutlich machen.

Fragen bleiben aber:

Warum sind auf dem jüdischen Friedhof die nichtjüdischen Menschen begraben worden? Woher hatten die Deutschen, die diesen Gedenkstein setzten, die Angaben über die Opfer?
Wer hat den Gedenkstein gesetzt bzw. sein Aufstellen veranlasst?

Auch die Ungereimtheiten der standesamtlichen Erfassung werfen Fragen auf:
Wieso sind trotz der Tatsache, dass die Sterbedaten in einer mathematischen Reihung sind, die Sterbeunterlagen nicht in derselben Reihenfolge erfasst worden?
Wurden die Sterbeurkunden im Nachhinein ausgefüllt?
Diese Fragen müssen geklärt werden.

Wir gedenken den Opfern der Nazityrannei!

Rüdiger Seidel

Die Liste der auf dem jüdischen Friedhof beerdigten polnischen katholischen Zwangsrbeiter und KZ-Häftlinger

1.Boleslaw Wishnewski 19.6 1944
2.Wladislaw Szeczygt 26.3.1944
3.Wladyslaw Szewczyk 29.10 1944
4.Mikmaj Cinasz 13.5. 1944
5.Wladylaw Huczak 28.9. 1944
6.Jozef Slowikowski 12.12. 1944
7.Kazimier Lezanski 21.2.1944
8.Jan Klich 10.4.1945
9.Stanislaw Minkina 27. 2 1944
10.Stanislaw Szostek 26.3.1944
11.Julian Skuiszewski 8.2.1943
12.Lucina Borowiecka 12.4.1945
13.Stanislaw Jagimias 22.3.1943
14.Leon Kaziek 29.4.1945
15.Jozef Papierce 1.8.1943
16.Erika Traszyin 16.5.1945
17.Stanislaw Prandota 18.2.1944
18.Czeslaw Tydenka 3.2.1945
19.Woijcech Grajek 8.3.1944