Das Haus Markt 39 um 1900: Auf diesem Bild zwei Häuser links hinter dem Geschäft von Erwin Lang.
Wolf „Adolf “ Gottschalk
Der jüdische Kaufmann Gottschalk wurde 1837 in Gröbzig geboren. 1876 hatte er sein Textilgeschäft am Mark 39. Er annoncierte:
„Tuch-, Leinen-, Seiden- und Modewarenhandlung.
Lager fertiger Mäntel, französ. Long-Chales Teppiche, Tischzeuge etc. Markt 39, gegenüber dem Gasthof z. gold. Ring.“
Am 1. Dezember 1885 eröffnete er zusammen mit dem jüdischen Kaufmann Gustav Heilbrun in der Schlossgartenstraße unter der Firma „Gottschalk & Heilbrun“ ein Bank- und Wechselgeschäft.
Heilbrun erbaute um 1880 das Haus Schlossplatz 2 als Bank- und Wohnhaus. Der dreigeschossige Ziegelbau mit spätklassi-zistischem Terrakottadekor ist heute das Verwaltungsgebäude der Eisleber Wohnungsbaugesellschaft.
Gottschalk starb 1894 und ist auf dem Neunen Jüdischen Friedhof begraben. Das Grab ist erhalten.
Ludiwg Königsberger
Der jüdische Rechtsanwalt und Notar Dr. Ludwig Königsberger wurde am 27. März 1891 in Eisleben geboren. Die Eltern waren Wilhelm und Recha, geb. Lang. Ihnen gehörte das Haus Markt 39, in dem sie wohnten und ein Textilgeschäft mit der Bezeichnung „Moritz Cahn, Nachfolger, Herrenmodegeschäft“ führten. [1] [2] Ostern 1910 legte Ludwig Königsberger an der Städtischen Oberrealschule in Eisleben das Abitur ab. Darauf begann er das Studium der Rechte, das er mit der Promotion abschloss. Am 1. Weltkrieg nahm Königsberger aktiv teil, wurde schwer am Bein verwundet und erhielt das Eiserne Kreuz 1. Klasse. [3]
Nach dem Krieg ließ sich Königsberger als Rechtsanwalt und Notar in Eisleben nieder. 1922 wohnte er noch im Elternhaus, 1927 hatte er seine Kanzlei in der Bahnhofstraße 7 in Eisleben. [4] Bald darauf heiratete er die Jüdin Jenny Eckstein aus Berlin Lichterfelde. Ihre Tochter Marietta wird 1925 geboren. [1] 1929 ist Königsberger der Vorsitzende des Miets – Einigungsamtes der Stadt Eisleben und wohnt in der Poststraße 3; sein Geschäftslokal ist am Plan 4. [2]
Nachdem der Grundbesitz der Juden in zwangsweise in so genannten „arischen Besitz“ übergegangen war, und vielen die Wohnungen gekündigt worden war, blieb nur noch der Einzug in ein so genanntes „Judenhaus“. Auch in Eisleben gab es ein solches. Das Haus der Eheleute Bratel, Rammtorstr. 7, wurde zur letzten Zufluchtsstätte der noch ansässigen Juden. Weil Ludwig Königsberger dekorierter Kriegsteilnehmer war, durfte er mit seiner Familie und seinen Eltern statt in das überfüllte Judenhaus in eine Baracke im Kastanienweg 3b in Eisleben ziehen. [7]
Am 15. April 1942 mussten alle Eisleber Juden in das so genannte jüdische Altersheim in der Boelckestraße nach Halle umziehen. Ein Augenzeuge beschrieb, wie die Gruppe den Weg durch den Stadtgraben zum Bahnhof nahm. [3]
Deportation und Ermordung
Am 1. Juni 1942 wurde die Familie Königsberger deportiert. Der Transport wurde in Lublin auf dem Nebengleis „selektiert“. Dabei wurden etwa 98 bis 115 Männer im Alter zwischen 15 und 50 Jahren aus dem Transport ausgesucht und in das Lager Majdanek eingewiesen, wie ein Überlebender bezeugt hat. [8] Vermutlich ist der Zug sodann direkt zu dem Vernichtungslager Sobibór geleitet worden. Dort kam er am 03. Juni 1942 an. [8] Direkt von der Bahnsteigrampe aus ging es zum Lager II. Hier wurde der gesamte Besitz der Opfer gesammelt, sortiert und gelagert. Von diesem Lagerteil aus führte ein 150 Meter langer und drei bis vier Meter breiter Gang, der mit Stacheldraht und eingeflochtenen Tannenzweigen eingefasst war, zur Vernichtungsstätte im Lager III. [5]
Anfang Mai bis Ende Juli 1942 wurden in Sobibór bis zu 90.000 Juden „fabrikmäßig“ getötet. Darunter waren auch Ludwig Königsberger, seine Frau Jenny und ihre Tochter Marietta.
Marietta wurde nur sechzehn Jahre alt. [9]
Quellen:
[1] Liste der Juden im Ortspolizeibezirk Eisleben, 1939
[2] Eisleber Adressbücher
[3] Rüdiger Seidel
[4] Heinz Jürgen Schneider, Erika Schwarz, Josef Schwarz: „Die Rechtsanwälte der Roten Hilfe Deutschlands: politische Strafverteidiger in der Weimarer Republik; Geschichte und Biografien“, Bonn 2002.
[5] Wikipedia
[6] “Report of The Central Association of German Citizens of Jewish Faith, Leipzig, 7 December 1934
[7] Maxi Wendt, “Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde zu Eisleben von Beginn des 19. Jahrhunderts bis zu ihrer Auflösung.“ Eingereicht beim Landesprüfungsamt für Lehrämter in Sachsen Anhalt-,” Wissenschaftliche Hausarbeit–zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien, 1993.
[8] Alfred Gottwaldt und Diana Schulle: „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941-1945“, S 221 ff.
[9] Bundesarchiv Koblenz-Berlin: “Gedenkbuch,” Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, 2. erw. Auflage 2006.
[10] Zemlin, Burghardt: „Die letzten Juden in der Lutherstadt“, in einer Eisleber Tageszeitung, Eisleben ca 1988.
Anonce von Wilheln Königsberger im Eisleber Adressbuch 1892.
Annonce von Wilheln Königsberger im Eisleber Adressbuch 1901.
Annonce von Wilheln Königsberger im Eisleber Adressbuch 1904.
Marietta Königsberger